Der "Heilige Gral"


Der "Heilige Gral" in der Wiener Schatzkammer. Foto: Kunsthistorisches Museum WienDie Legende um den Heiligen Gral ist eines der meistbehandelten Themen in der mittelalterlichen Erzählliteratur im Umkreis der Artussage. Ihre Kernaussage besteht darin, daß es einen rätselhaften heiligen Gegenstand zu finden gilt, der aufgrund einer besonderen Geschichte kultische Mysterien und Geheimnisse symbolisiert, und der seinem Besitzer - je nach konkreter Ausprägung der Legende unterschiedliche - Segnungen beschert, etwa Glückseligkeit oder ewige Jugend.

Die älteste bekannte Erzählung vom Heiligen Gral ist der unvollendete Perceval-Versroman von Chrétien de Troyes, der zwischen 1179 und 1191 in Flandern entstand. Spätere Gralserzählungen stammen unter anderem von Robert de Boron, Wolfram von Eschenbach und Helinandus Frigidimontis. Allen Gralslegenden gemeinsam ist, daß der Heilige Gral als wundertätiges Gefäß in Form einer Schale, eines Kelchs oder eines Steines beschrieben wird, das in einer unzugänglichen Burg von Gralskönig und Gralsrittern bewacht wird und auf seine Auffindung durch einen reinen Helden wartet, der durch die Beseitigung eines - unterschiedlich beschriebenen - Mangels der Gralsgemeinschaft ihr Heil bringt und dafür als Lohn den Heiligen Gral empfängt.

Schon früh verband sich die Sage um den Heiligen Gral mit der christlichen Eucharistiefeier: man interpretierte den Gral als jenen Kelch, den Christus beim letzten Abendmahl benutzt hat, und im dem Josef von Arimathäa das Blut Christi unter dem Kreuz aufgefangen hat. Der Gral wurde dadurch in die Reihe der zahlreichen mittelalterlichen Blut-Christi-Reliquien eingeordnet, zusammen mit der Longinuslanze, dem Turiner Grabtuch, dem Schweißtuch der Veronika und anderen Reliquien.

Die Achatschale in der Schatzkammer

In der Wiener Schatzkammer befindet sich eine Achatschale, die angeblich bei der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 erbeutet, später in den Besitz Karls des Kühnen von Burgund und über das Burgundische Erbe in den Besitz der Habsburger gelangt sei. Verschiedene Beschreibungen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert berichten von einer rätselhaften Inschrift, die den Namen Christi in griechischen Buchstaben zeige, jedoch nicht etwa eingeritzt oder aufgemalt, sondern in der Maserung des Steines selbst. Aufgrund des Erscheinens dieser besonderen Inschrift wurde die Schale als Reliquie angesehen, unmittelbar mit Christus in Verbindung gebracht und als "Heiliger Gral" bezeichnet.

Ungeachtet ihrer spirituellen Bedeutung ist die Schale jedenfalls ein Wunderwerk: sie besteht aus einem einzigen Achatstein und ist mit einer Spannweite von 76 Zentimetern die größte aus einem Block Hartstein geschnittene Schale der Welt. Die technische Meisterleistung, die zu ihrer Anfertigung erforderlich war, ist beinahe unvorstellbar, denn Achat ist härter als Stahl, und trotzdem erscheinen die aus dem Stein herausgeschnittenen Griffe wie aus Wachs geformt.

Aufgrund seiner besonderen Bedeutung sowie aufgrund seiner außergewöhnlichen Größe und seiner meisterhaften Verarbeitung wurde das Gefäß zusammen mit dem "Ainkhürn" (dem Stoßzahn eines Narwales, der für das Horn des Einhorns gehalten wurde) im Erbvertrag der Söhne Kaiser Ferdinands I. zum "unveräußerlichen Erbstück" des Hauses Habsburg erklärt. Es sollte fortan allen Linien des Hauses Habsburg gemeinsam gehören und weder verkauft noch verschenkt werden.

Interessante Informationen und Anekdoten rund um die Geschichte des "Heiligen Gral" in der Wiener Schatzkammer erfahren Sie bei unseren spannenden Führungen durch das Schatzkammermuseum sowie bei der speziellen Themenführung "Der Da Vinci Code in Wien" von DDr. Anna Ehrlich, einer der bekanntesten Wiener Fachbücher Autoren.